6. und 7. Tag
Über den Köhlerpass von San Sebastian nach Hermigua
(locko)
16. März 2007

Mir gehts gut, was nach der anstrengenden Südtour gestern nicht selbstverständlich ist. Meine Knochen, Knie, Muskeln tun nicht (mehr) weh. Die Nacht war jedoch, was das Schlafen anging, etwas unruhig. Mein Zimmer in der Pension "Victor" hatte zwar Wände, allerdings reichten die nicht bis an die Zimmerdecke heran. Zunächst dachte ich der Straßenlärm von der Fußgängerzone bzw. die Bar unter meinem Zimmer würden die Nacht unruhig machen, nun waren es allerdings meine Zimmernachbarn. Ich wurde häufig wach, weil sie das Licht an und aus machten, miteinander redeten und zu späterer Stunde schnarchten, als wollten sie den Holzboden zerlegen. Nach einem Sardinenessen mit der schärfsten Mojo, die ich jemals hatte, konnte ich aber zunächst schon gegen 21:00 einschlafen, nicht sehr lange und etwas diskontinuierlich, aber das ging schon in Ordnung.

Gegen sieben Uhr stand ich auf. Jetzt war ich sicher der Störenfried in der Pension: Ich musste nämlich packen, duschen und Kekse essen. Mit der Packerei war ich diesmal ziemlich schnell fertig. Nachdem das alles erledigt war, sah ich mir zunächst die Wanderinfotafel am Hafen an. Ich hoffte dort Auskunft darüber zu bekommen, an welchem Abzweig in San Sebastian der Weg in Richtung Chejelipes begann. Leider war die Karte dort sehr unscharf und zu wenig detailliert. Gut, frage ich mich eben (wieder) durch oder vertraue nocheinmal meinem Orientierungssinn. Die grobe Richtung kenne ich und so groß ist San Sebastian ja nun auch wieder nicht. Jetzt war eh ersteinmal wichtiger, etwas Essbares zwischen die Zähne zu bekommen. In der Nähe des Marktplatzes gibt es ein paar Bäckereien, in denen man auch gut frühstücken kann. Ein ordentliches Brötchen und ein starker Kaffee wären jetzt genau das richtige. So aß ich dann etwas typisch spanisches, ein Bocadillo Tortilla Espanola (Ei mit Kartoffel gebraten) mit Käse und Tomaten. Das war ordentlich fettig, lecker und sättigend. Gestärkt konte die voraussichtlich sechs Stunden dauernde Wanderung beginnen.

Auch heute beachtete ich die gute alte Wanderregel: geh vorher auf's Klo oder nimm dir Toilettenpapier mit - am besten tu beides! Leider fand ich keine Toilette, die frei war und ging nocheinmal zurück in meine Pension. Meine Nachbarn waren jetzt alle wach und hatten wahrscheinlich die selbe Idee wie ich... Schöner Mist. Die Klotür, hinter der sich auch die Dusche befand, war verschlossen. Dahinter hörte ich lauten Gesang. Das könnte sich also noch eine Weile hinziehen. Dieses Mädchen. Vom Pensionswirt Victor erfuhr ich von einem weiteren Klo, juchhuh! Jetzt konnte es losgehen.

Der Weg führte zunächst entlang der Hauptstraße in Richtung Hermigua/Vallehermoso. Nach einer Weile (ich dachte schon, dass ich wieder den Einstieg nicht gefunden habe) bog ich links die Straße zum Industriegebiet von San Sebastian ein und folgte dann den Wegweisern in Richtung Lomo Fragoso. Die kleine Straße führte allmählich bergauf in den Barranco de la Villa hinein. Noch in San Sebastian veranstalteten außer Kontrolle geratene Baumaschinen ein riesiges Spektakel. Mir fiel insbesondere in diesem Urlaub auf, dass man in fast jedem bewohnten Barranco auf der Insel offensichtlich dabei ist, auf irgendwelchen Steinen herumzuhacken. Am Startpunkt dieser Inselumrundung, in Playa de Santiago, hat man sogar am Strand auf den dort liegenden Felsbrocken herumgekloppt. Im weiteren Verlauf wurde auch meine Straße zur Baustelle. Nachdem fast alle Hauptverbindungsstraßen fast schon Autobahnniveau erreicht haben, fängt man offensichtlich an, auch die kleineren Stichstraßen zu verbreitern. Und das macht Lärm und Dreck. Als Urlaubsgast weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Allerdings ist meine Perspektive als auch nicht unbedingt die "ausschlaggebende". Die Einheimischen sind nämlich überwiegend (zurecht) froh, dass sie ihre Kleinwagen nicht mehr durch eine absturzgefährdete Piste navigieren müssen und dabei ständig Gefahr laufen, entweder ihr Auto oder ihr Leben zu ruinieren. Daher wird man mit lärmenden Baumaschinen, überdimensionierten LKW und Kettenfahrzeugen wohl noch eine Weile leben müssen. Wenn auf den Kanaren, die ja auch zur Europäischen Union gehören, ebenso verfahren wird wie bei uns, dann wird dies auch ein Dauerzustand bleiben. Sobald dann nämlich eine Straße fertiggestellt wurde, ist sie auch schon wieder baufällig. Das führt dazu, dass man ständig überall bauen muss. Ein Prosit auf den Fortschritt.

Ab San Antonio, etwa drei bis vier Kilometer barrancoaufwärts, wurde es ruhiger. Es gab kaum noch Verkehr, es wurde gründer und ländlicher. Ich ging an Bars vorbei in denen Männer saßen, die zu dieser frühen Stunde bereits Bier tranken. Ist das nicht das Paradies? Jedenfalls wurde meine Vorfreude auf ein kaltes Dorada zum Ende der Wanderung immer größer. Jetzt sollte ich aber einen klaren Kopf behalten. Immerhin las ich in meinem Wanderführer (der nur ein Teilstück der Etappe in umgekehrter Richtung beschrieb), dass der noch folgende Aufstieg zum Köhlerpass etwas heikel, abgerutscht und steil sein sollte. Wenn ich da mit Sack und Pack und voll wie ein Amtmann hoch ginge, hätte ich wohl mit einigen Schwierigkeiten rechnen müssen. Daher kein Bier, nein!

Zunehmend wurde ich auch unsicher, ob ich nicht mal wieder einen Abzweig übersehen habe. Durch die in den letzten Jahren an vielen Wegen angebrachten Wanderwegweiser wird man richtig verwöhnt. Sind mal keine Wegweiser und man läuft zugleich ausschließlich nach "Karte", dann kann man schonmal unsicher werden. Wie zu erwarten war, verpasste ich denn auch den richtigen Einstieg für den Aufstieg zur Cumbre, der zentralen Bergkette, die insbesondere hier eine markante Klimascheide zwischen dem kühl-feuchten Norden und den warm-trockenen Süden ist.

Nach einigem Suchen fand ich den sehr undeutlich beginnenden Weg dann doch. Bisher ging es nur allmählich bergann. In ein einhalb Stunden "schaffte" ich etwa 300 Höhenmeter. Von jetzt an schraubt sich der Weg immer steiler hinauf zur Carretera del Norte und anschließend weiter zum Köhlerpass. Insgesamt geht es noch 700 Meter bergauf in wenigen 100 Metern Luftlinie. Ich mag solche Wege, man merkt die alternden Knochen, hustet mal so richtig ab und schwitzt sich ordentlich leer. Der gesamte Weg von San Sebastian nach Hermigua wird, wie bereits angedeutet, in keinem Wanderführer im Gesamten beschrieben. Lediglich das Teilstück von der Carretera del Norte hinauf zum Köhlerpass (etwa noch 300 Höhenmeter im Aufstieg) findet Erwähnung. Ab Carretera sollte es nämlich angeblich schwierig werden. Das könnte bedeuten, dass ich ab jetzt den scheiß-schweren Rucksack durch einen steil-geröllig-matschigen Gestrüppdschungel schleppen müsste. Allerdings machte ich bisher auch oft die Erfahrung, dass Wege, die als schwierig, heikel und gefährlich beschrieben wurden, oftmals harmloser sind, als solche, für die keinerlei Schwierigkeiten angekündigt werden. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich meinen absolut höhenuntauglichen Freund Andi den "schön einfachen" Weg von El Guro (Valle Gran Rey) bis zu einem Wasserfall im Barranco de Arure mit verbundenen Augen herumschleppen musste. Hier gab es nämlich für mich relativ unschwierige, aber für einen Höhenängstler schon ziemlich bedrohlich wirkende Kraxelpassagen, die kaum oder nur herunterspielend erwähnt wurden.

Letztlich war der Weiterweg zwar steil, aber gut gepflegt. Offensichtlich gibt es ein touristisches Interesse daran, diesen Weg zu erhalten. Leider verwachsen viele Jahrhunderte alte Wege auf La Gomera, die von den Einheimischen nicht mehr benötigt werden (es gibt ja die EU und damit Straßen), immer mehr, so dass man sie kaum noch findet oder sie können nur noch mit großer Mühe begangen werden. Viele Wege sind bereits stark verwildert, verschüttet oder abgerutscht.

"Oben" angekommen war der Vegetationswechsel einfach grandios. Mein linker Fuß stand mitten im Lorbeerwald des Nordens, während es sich mein rechter Fuß im Sukkulentenbusch mit vereinzelten kleinen Baumheidebeständen des Südens bequem machte und schwitzte. Nur wenige Wolken versperrten an diesem Tag den Blick auf mein Tagesziel Hermigua. Da ich vorhatte, mir direkt am Meer in Santa Catalina ein Zimmer zu suchen, standen mir jetzt gut 1.000 Höhenmeter Abstieg bevor. Durch die häufigen Vegetations- und Sichtwechsel (vorher starrte ich dauernd auf die nackten Felswände der unüberwindbar scheinenden Cumbre) verging die Zeit schnell. Ruck zuck war ich im oberen Ortsteil von Hermigua, in El Convento.

Hier in Hermigua wurde zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht so viel gebaut. Allerdings wird ein großes Bauvorhaben mit bunten Posterwänden angekündigt: Die Ortsdurchfahrt soll verbreitert werden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt passen hier gerade einmal leidlich zwei PKW nebeneinander. Kommt ein Bus oder ein großer LKW, muss man mal kurz nachdenken und irgendwelche abgefahrenen Rangiermanöver einleiten. Das stört wohl zunehmend nicht mehr nur die unsicher fahrenden Touris mit ihren zerbeulten Mietwagen, sondern auch die Einheimischen werden angenervt sein. Daher will man jetzt "Nägel mit Köpfen" machen und für über 30 Millionen Euro die Durchfahrt verbreitern. So, wie die orografischen Verhältnisse hier in Hermigua allerdings sind, wird das sicher über Jahre Lärm bedeuten.

Nach insgesamt fünf einhalb Stunden war ich in Santa Catalina und habe die heutige Etappe geschafft. Ich bezog ein schönes Appartment mit großer Terasse und Meerblick. So schön habe ich während meines diesjährigen Aufenthalts noch nicht gewohnt. Ich kaufte ein: insbesondere Bier, Äpfel und Brot. Anschließend setzte ich mich selbstzufrieden und wohlig erschöpft auf meine Terasse und schrieb. Abends ging ich im "Faro" (Leuchtturm) essen, der einzig offenen Bar in dem kleinen Ortsteil und blieb dort der einzige Gast. Morgen würde ich einen Ruhetag einlegen und vielleicht etwas im Meer baden oder mich im Ort etwas umsehen.



17. März 2007 Regen und Faulheit in Hermigua

Ein Gammeltag, wie er im Buche steht. Meine Knie taten heute morgen ganz schön weh, insbesondere das rechte ("Nachwehen" aus einem fünf Jahre zurückliegenden Urlaub auf Gomera). Der Plan, zwei Tage hier in Hermigua zu bleiben, war also nicht der schlechteste. Es gab noch einen weiteren Grund, warum diese Entscheidung "gut" war: Das Wetter mal wieder. In diesem Urlaub war es bisher die meiste Zeit unbeständig und es gab kaum einen Tag, an dem es nicht regnete. Das (eigentlich schon abgezogen geglaubte Tief) konte sich re-formieren und wurde jetzt zwischen einem Hoch über Nordafrika und dem wiedererstarkten Azorenhoch gehörig in die Breduoille gebracht und ausgewrungen. Allerdings ohne sich dabei wesentlich zu bewegen. Ein "Wetterphänomen" war das!

Am morgen war es schon recht wolkig und im Tagesverlauf zog sich der Himmel immer weiter zu. Am Vormittag schaffte es die Sonne noch ein wenig durch die Wolken hindurch, danach hingen den ganzen Tag tiefehängende Regenwolken im Tal. Zum Nachmittag gab es auch einige Gewitter, was für die Kanarischen Inseln wirklich selten ist. Gewitter entstehen nämlich in erster Linie dann, wenn feuchtwarme Luft über erwärmten Landmassen immer schneller aufsteigt. Dann entstehen die typischen "Gewitterköpfe" (Cumulus congestus und Cumulus nimbus Wolken). Wie gesagt: Voraussetzung dafür ist im Prinzip eine relativ große zusammenhängende Landmasse. Weil die Kanaren aber in erster Linie kleine Inseln sind, die von einem ganz und gar nicht warmen Meer umgeben sind (im Winter ca. 19 Grad Wassertemperatur), ist das Gewitterrisiko hier relativ gering. Aber wie der Statistiker weiß: auch ein geringes Risiko ist ein Risiko.

Bis zum Abend gingen mehrere starke Schauer über dem Tal nieder, so dass ich froh war, ein festes Dach über dem Kopf zu haben. Der Blick in die Berge ließ darüber hinaus nicht viel "gutes" erwarten: Dicke, dunkle, regenschwangere Wolken trieben dort ihr Unwesen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass sich eine spätere Reisebekanntschaft zu dieser Zeit gerade weit oberhalb von Hermigua, in El Cedro, aufhielt und die ganze Nacht damit beschäftigt war, sich um das Zelt Sorgen zu machen. Die hat es da oben ganz schön erwischt! Ich blieb dennoch optimistisch für meinen morgigen Weiterweg, denn nach der zumeist zutreffenden kanarischen Wetterregel, wird der Spuk morgen wieder vorbei sein, wenn ich weiter auf dem GR (Sendero Gran Recorrido) 132 nach Vallehermoso laufe. Ich hoffte das zumindest.

Ganz in der Tradition kanarischer Gammeltage wollte ich mir eine Zeitschrift oder eine Tageszeitung kaufen. Zu diesem Zweck lief ich am Vormittag sechs Kilometer bergauf in das "Zentrum" von Hermigua, wo es den einzigen brauchbaren Zeitungsladen gibt. Das einzige, was die in deutscher Sprache im Angebot hatten, war ein fünf Tage alter "Spiegel" für 4,70 Euro. Deutsche Tageszeitungen gab es auch nicht und die Verkäuferin machte mir auch wenig Hoffnung, dass heute, am Samstag noch eine Lieferung käme. Also lief ich langsam zurück in Richtung Meer und fotografierte viel, u. a. auch ein paar herumlungernde Hühner. Es blieb zunächst auch teils sonnig, teils wolkig. Im Prinzip nicht das schlechteste Wetter für die Nordseite von La Gomera. Vielleicht sollte ich zum Badebecken einer alten Bananenverladestation gehen und ein wenig baden? Richtig warm war es allerdings nicht und der Wind war ganz schön frisch. Also ging ich zurück zu meinem Appartment, aß etwas zum Mittag, machte es mir auf meiner Terasse bequem und leitete die obligatorische Siesta mit einem Bierchen ein. Das machen hier alle so und ich finde, dass ist auch ziemlich harmlos im Vergleich zu dem, was ich während der lange Jahre zurückliegenden Umrundung von Kreta erlebte. Dort wurde nämlich bereits nach dem Frühstück Raki getrunken (richtig gehört, auf Kreta wird sich üblicherweise der Verstand mit Raki und nicht mit Ouzo ruiniert).

Die Siesta ist zum Ruhen da und Bier macht träge, so dass ich ersteinmal in die Horizontale ging und einschlief. Gegen 16:00 wurde ich durch lautes Klopfen an meiner Zimmertür wach. Dana, eine ehemalige Kommilitonin und Kollegin von mir, stand da und noch drei andere. Ich war etwas verwundert, freute mich allerdings über bekannte soziale Kontakte. Sie machte zeitgleich mit mir auf La Gomera Urlaub, wohnte allerdings im Valle Gran Rey. Wir fuhren gemeinsam in ihrem Mietwagen nach Hermigua in die berühmte "Casa creativa", eine Vollwertgaststätte, in der man ersteinmal etwas essen könnte. Weil es regnete, war die große Terasse leer, dafür tobte drinnen das kanarische Landleben eines Samstag nachmittag. Viele Einheimische standen an der Bar und tranken. Wie gesagt, zur Siesta zieht es den Gomero in die Bar. Das ist ein evolutionäres genetisches Programm, was ziemlich resistent gegen Veränderungen ist. Am Wochenende beginnt die "Barzeit" gegen Mittag - um vier sind dann alle blau. Jetzt war es gerade kurz nach vier, entsprechend besoffen und laut waren die Gäste. Das deutsche Mädel, was bediente hatte alle Mühe erstens für Nachschub zu sorgen und zweitens die Unversehrtheit der Einrichtung zu gewährleisten.

Ich wollte ja nur essen und vielleicht doch ein Bier? Es gab Gemüsekuchen und Brot. Eigentlich nicht meine Geschmacksrichtung, große Auswahl an "nicht Vollwertkost" gab es aber nicht. Außerdem hat es mir nicht schlecht geschmeckt. Nach dem essen sind wir wieder ans Meer gefahren, wo das aber nächste Gewitter aufzog. Es wurde abend, der Besuch verschwand wieder ins Valle und ich trank ein Bier und ging dann wieder in den "Faro" essen.

Noch eine kleine Anmerkung zu den gomerischen Straßenverhältnissen und meinem gestrigen Gemecker über den anstehenden Ausbau der Ortsdurchfahrt in Hermigua. Geht man derzeit als Fußgänger durch das Dorf, ist das nicht gerade ungefährlich. Man muss sich wundern, dass man nicht nach spätestens zwei "heil" passierten Kurven mit einem aufgeplatzten Schädel auf einer Motorhaube zum Liegen kommt. Erstens fährt der Spanier wie ein Henker, zweitens hat man als Fußgänger wegen der orografischen Verhältnisse (eine Seite der Straße steil hinaus, die andere Seite steil hinab) kaum Möglichkeiten auszuweichen (es sei denn man springt einen Abhang herunter und kommt dort mit geplatztem Schädel...). Ein Dorfspaziergang ist daher häufig verbunden mit todesmutigen Ausweichmanövern und dem häufigen Wechsel der Straßenseite. Wichtig ist dabei immer, dass man den Überblick behält und das Unheil in Form eines mit Vollgas nahenden Riesenjeeps rechtzeitig kommen sieht. Allerdings muss man auch feststellen, dass wegen der riskanten Fahrweise auf den Kanaren zwar mehr Unfälle passieren als in Deutschland, allerdings führen auch auf La Gomera Zivilisationserkrankungen die Todesursachenstatistiken an. Mir ist jedenfalls noch nichts passiert (außer eines Blechschadens vor einigen Jahren in El Cercado) - mit oder ohne einer neuen Ortsdurchfahrt.

Auch unsere deutschen Landsleute kommen heute nicht ungeschohren davon. Ich traf mich heute mit Dana (die ist wirklich nett und ein sehr ausgeglichenes und ausgleichendes Wesen) und ihren Freunden (auch keine Falschen). Allerdings waren die nicht so gut auf ihre Urlaubsumgebung zu sprechen und zeigten wenig Verständnis für typisch kanarische Verhaltensweisen. Dazu stieß auch das sehr unbeständige Wetter auf wenig Gegenliebe, schließlich fliegt man ja die knapp 4.000 Kilometer auch deshalb, weil man dem deutschen Winter für eine kurze Zeit mal entfliehen möchte. Im Ausland ist es aber nunmal anders, Menschen, Wege, Wetter - Ankündigungen a la "www.das-letzte-paradies.de" sollte man eben nicht glauben und wo Licht ist (und auf den Kanaren ist viel Licht), da ist auch Schatten. Daher gefällt mir die Besserwisserei einiger deutscher Landsmänner nicht, die offensichtlich die Weisheit Eimerweise in sich hineingekippt haben (darum sind ja bei uns auch so viele Menschen übergewichtig). Sätze wie "die sollten doch lieber so und so fahren, ist viel besser", "Warum saufen die soviel?" (eine interessante Frage wäre im Gegenzug beispielsweise auch, warum manche Menschen eben nicht saufen?) oder "der soll den Motor ausmachen". Liebe Leute: ihr habt ja recht, aber, die Mentalität (Gelassenheit), der billige Sprit, das schmackhafte Bier bedingen z. B. auch, dass der Motor des 30 Jahre alten Mercedes Benz nicht ausgemacht wird, wenn der Fahrer in die Bar geht, um sich ein paar Biere zu genehmigen. Wer weiß denn schon, ob das Ding jemals wieder anspringt oder ob der Fahrer nach der Bierspülung das Schlüsselloch des Zündschlosses wiederfindet?

Alle Bilder sind von Thomas Hering. Sie können für nicht komerzielle Zwecke und unter Verweis auf den Urheber kostenfrei verwendet werden.